Das BAG hat entschieden: Dienstreisen sind grundsätzlich vergütungspflichtige Arbeit

01. April 2019

Das BAG hat entschieden: Reisezeit auch außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit ist regelmäßig vergütungspflichtige Arbeitszeit – sofern es keine anderslautende Vereinbarung gibt. Damit sind Arbeitgeber fortan gut beraten, wenn explizite Vereinbarungen hinsichtlich der Vergütung von Dienstreisen getroffen werden. 

Die Qualifizierung als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitsschutzes oder als vergütungspflichte Arbeit ist insbesondere im Hinblick auf Dienstreisen häufig nicht gleichlaufend. Während für die arbeitsschutzrechtliche Betrachtung nach wie vor die sog. Beanspruchungstheorie maßgeblich ist, hat das BAG mit der Entscheidung vom 17 Oktober 2018 – 5 AZR 553/17 eine völlige Kehrtwende in seiner Rechtsprechung zur Vergütungspflicht hingelegt: Während früher galt, dass ein Arbeitnehmer für Reisezeiten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit ohne separate Vereinbarung oder ausnahmsweise Vergütungserwartung i.S.v. § 612 BGB keine Vergütung dieser Zeit erwarten konnte, ist es nunmehr genau anders herum. Grundsätzlich kann er eine Vergütung jedweder Reisezeit erwarten, wenn die Parteien nichts Gegenteiliges vereinbaren. Insbesondere für Arbeitgeber, deren Arbeitnehmer viele Dienstreisen unternehmen, können aus dieser Entscheidung erhebliche finanzielle Konsequenzen resultieren.

Im zugrundeliegenden Fall war der Arbeitnehmer zu einem Auslandsauftrag nach China entsandt worden. Für die Reise wurde auf Wunsch des Arbeitnehmers anstelle eines kürzeren Economy-Fluges, ein Flug der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai gebucht. Daraufhin begehrte der Arbeitnehmer die Vergütung für die insgesamt angefallene Reisezeit von vier Tagen zwischen seiner Wohnung und der auswärtigen Arbeitsstelle. Der Arbeitgeber hatte die arbeitsvertraglich geschuldete Vergütung für nur je acht Stunden pro Reisetag gezahlt. Die zwischen den Parteien bestehende Entsendevereinbarung enthielt keine Regelungen zur Vergütung von Reisezeiten.

Das BAG gab dem Arbeitnehmer im Grundsatz Recht und entschied, dass Reisezeit grundsätzlich vollständig zu vergüten ist. Zwar fanden auf das Arbeitsverhältnis der Rahmentarifvertrag für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes (RTV-Bau) Anwendung. Das BAG hat den Anspruch auf Vergütung der Reisezeit aber gerade nicht aus dem RTV-Bau abgeleitet sondern stützt den Anspruch auf § 611 Abs. 1 BGB (jetzt § 611a Abs. 2 BGB). Dies begründet das BAG damit, dass es sich bei dem Aufsuchen des Kunden um eine vertragliche Hauptleistung des Arbeitnehmers nach § 611 Abs. 1 BGB handle.

Damit grenzt das BAG die Vergütungspflicht nach der Zielrichtung der Reise des Arbeitnehmers ab. Wird dieser ausschließlich fremdnützig im Interesse des Arbeitgebers tätig, um seine vertragliche Hauptleistungspflicht zu erfüllen, so handle es sich grundsätzlich um vergütungspflichtige Reisezeit. Ebenso sei die inländische Reisezeit des Arbeitnehmers vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle, sowie die Reisezeit von der Wohnung des Arbeitnehmers zur auswärtigen Arbeitsstelle zu behandeln, wenn diese zu den Hauptleistungspflichten des Arbeitnehmers zählen (z.B. Außendienstmitarbeiter). Um ein lediglich eigennütziges Interesse handle es sich hingegen bei der – nicht vergütungspflichtigen – Reisezeit des Arbeitnehmers von seiner Wohnung zum Betrieb.

Im vorliegenden Fall hatte das BAG aber Zweifel daran, ob die Reisezeit auch tatsächlich erforderlich war und macht damit die Erforderlichkeit zu einem weiteren Kriterium für die Frage der Vergütungspflicht. Macht der Arbeitgeber Vorgaben zu den Reisedetails, sei die Reisezeit erforderlich, die es bedürfe, um diese Vorgaben umzusetzen. Sei es dem Arbeitnehmer hingegen überlassen selbst die Reisedetails zu bestimmen, so müsse er unter Beachtung der Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB die kostengünstigste Variante wählen. Diese stellte im vorliegenden Fall ein Direktflug Economy-Class dar. Etwas anderes gelte nur, wenn ein solcher Flug dem Arbeitnehmer aus Einzelfallgründen unzumutbar sei.

Infolge der Entscheidung sollten Arbeitgeber unbedingt darauf achten, den Vergütungsanspruch für Dienstreisen, die im Interesse des Arbeitgebers durchgeführt werden, individual- oder kollektivrechtlich zu regeln bzw. zu begrenzen. Dadurch bleiben ihnen ausufernde Vergütungsansprüche für die Reisezeit erspart. Zu beachten ist dabei allerdings, dass der gesetzliche Mindestlohn auch unter Berücksichtigung der Reisezeiten nicht unterschritten wird. Zudem müssen die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes Beachtung finden. Insbesondere wenn Flug- oder Reisezeiten zur Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten nicht zur Bearbeitung von Akten oder ähnlichem genutzt werden können, ist eine Vereinbarung zum Ausschluss der Vergütung für diese Reisezeit unbedingt im Interesse des Arbeitgebers.

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