Die Netto-Null-Industrie-Verordnung: Ein weiterer Versuch hin zu einer unabhängigen und grünen Zukunft
Die Netto-Null-Industrie-Verordnung: Ein weiterer Versuch hin zu einer unabhängigen und grünen Zukunft
11. November 2024
Am 29. Juni 2024 ist die Europäische Netto-Null-Industrie-Verordnung in Kraft getreten. Die Verordnung ist Teil des Industrieplans zum Grünen Deal und soll dazu beitragen, Europas Cleantech-Industrie wettbewerbsfähiger und unabhängiger zu machen.
Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es einen wachsenden Markt für grüne Technologien gibt. Bis 2030 wird das weltweite Marktvolumen für saubere Technologien auf jährlich – unabhängig von der politischen Situation in Deutschland und Europa – rund 600 Milliarden Euro geschätzt. Mit Blick auf die Rolle der EU besteht auch hier enormes Wachstumspotential: Aktuell stammen mehr als 90 % der Solarwafer (PV-Wafer) sowie rund 25 % der Elektrofahrzeuge und Batterien, die in Europa verwendet werden, aus China. Auch 90 % der weltweiten Investitionen in Produktionsanlagen für emissionsfreie Technologien entfallen auf China. Hier will die Verordnung ansetzen. Das ist klassische Industriepolitik.
Die Verordnung soll Investitionen anregen und bessere Bedingungen für die Cleantech-Industrie in Europa schaffen. Dazu soll die EU bis 2030 mindestens 40 % ihres Bedarfs an klimaneutralen Technologien selbst decken. Zudem soll bis 2040 15 % der Weltproduktion an klimaneutraler Industrie aus der EU stammen. Auf diese Weise sollen nicht nur die ehrgeizigen Klima- und Energieziele der EU erreicht werden, sondern auch die strategische Autonomie der EU gestärkt und der Zugang zu sicherer und sauberer Energie gesichert werden. Europa folgt also dem Vorbild der USA und will stärker auch auf dem Heimatmarkt produzieren.
Um diese Ziele zu erreichen, sollen durch die Verordnung Technologien gefördert werden, die bereits kommerziell verfügbar sind oder demnächst auf den Markt gelangen und einen wesentlichen Beitrag zur Treibhausgasreduktion leisten können. Im Fokus stehen dabei insbesondere Photovoltaik, Windenergie, Batterien, Technologien zur CO₂-Abscheidung und Speicherung sowie Wasserstofflösungen.
Im Rahmen der Förderung sieht die Verordnung eine Reihe gezielter Maßnahmen vor. Ein Schlüsselelement ist die Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für strategisch wichtige Vorhaben, u.a. durch die Errichtung zentraler Anlaufstellen für Projektträger sowie die Einführung verbindlicher Genehmigungsfristen. Daneben sollen Nachhaltigkeits- und Resilienzkriterien in Vergabeverfahren und Auktionen integriert werden, um Unternehmen zu unterstützen, die auf grüne Technologien setzen. Im Rahmen von Reallaboren sollen außerdem unter kontrollierten Bedingungen innovative Technologien getestet werden. Weiterhin sieht die Verordnung vor, dass europäische „Net-Zero-Industry“-Akademien errichtet werden, um die Aus- und Weiterbildung qualifizierter Fachkräfte in der Cleantech-Branche zu fördern. Schließlich wird durch die Europäische Wasserstoffbank die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff, einer Schlüsseltechnologie der Verordnung, unterstützt und Investitionen in diesem Bereich gefördert.
Um die Umsetzung der Maßnahmen zu erleichtern, wird eine „Net-Zero-Industry“-Plattform geschaffen. Diese Plattform besteht aus Vertretern der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten, die gemeinsam die Koordination und Abstimmung der einzelnen Maßnahmen übernehmen. Zudem können bei Bedarf auch Vertreter der Industrie sowie weitere Sachverständige zu den Sitzungen eingeladen werden, um ihre Expertise einzubringen und die erfolgreiche Umsetzung der Verordnung sicherzustellen.
Mit der Netto-Null-Industrie-Verordnung reagiert die EU auf die wachsende politische Bedeutung klimaneutraler Technologien und erweitert ihre bisherige Klima- und Umweltpolitik um eine industriepolitische Perspektive. Das Vorbild sind die USA. Damit macht sie einen weiteren Schritt hin zu einer unabhängigen und grünen Wertschöpfungskette in Europa.
Autor und Autorin:
Friedrich Gebert und Sarah Sager
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