Die reduzierte EnWG-Novelle: Ein Spitzen Gesetz?
Die reduzierte EnWG-Novelle: Ein Spitzen Gesetz?
26. February 2025
Am 31.01.2025 hat der Bundestag das „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ beschlossen. Da am 14.02.2025 auch kein Einspruch des Bundesrats erfolgte, wird das Gesetz nun Anfang März Kraft treten. Beim sog. „Solarspitzen-Gesetz“ handelt es sich dabei um eine deutlich reduziertere Version der ursprünglichen EnWG-Novelle (90 statt 390 Seiten).
Ziel des Gesetzes ist die Vorsorge für Zeiten temporärer Erzeugungsüberschüsse, in denen sehr viel Strom aus EE-Anlagen in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird und der Stromverbrauch zeitgleich gering ist. Der Strom findet dann zu normalen Preisen keine Nachfrage mehr. Da Stromerzeugung und Stromverbrauch im Netz stets ausgeglichen sein müssen, wird der Strom dann zu teilweise stark negativen Preisen verkauft. Diese negativen Preise erhöhen die Kosten der Förderung der erneuerbaren Energien und die Kosten des Stromsystems insgesamt.
Um den Herausforderungen temporärer Erzeugungsüberschüsse zu begegnen, enthält das Gesetz eine Vielzahl von Regelungen, die die Flexibilität im Stromsystem erhöhen. Der Beitrag soll einen Überblick über die wichtigsten Neuregelungen geben:
Die für EE-Anlagenbetreiber wichtigste Änderung betrifft die EEG-Förderung bei negativen Strompreisen. Allein im Jahr 2024 kam es in Deutschland in ca. 450 Stunden zu sogenannten negativen Strompreisen an der Börse. Negative Strompreise entstehen, wenn das Stromangebot die Nachfrage deutlich übersteigt, z. B. an sonnigen Feiertagen. In solchen Fällen erhalten Abnehmer Geld dafür, dass sie Strom beziehen.
Durch die Änderung des § 51 EEG wurde nun festgelegt, dass in Zeiten negativer Strompreise die Förderung vollständig entfällt. Ziel ist es, Neuanlagen unmittelbaren Preissignalen auszusetzen und die Marktintegration der erneuerbaren Energien zu stärken. Dadurch soll ein Anreiz geschaffen werden, in Zeiten negativer Preise nicht einzuspeisen, sondern Eigenverbrauch zu betreiben oder den Strom zur späteren Nutzung oder Einspeisung (zu höheren Preisen) zu speichern. Die entfallenen Förderzeiten werden als Ausgleich nach § 51a EEG an die Maximalförderdauer (in der Regel 20 Jahre) angehängt. Auf dem Förderzeitkonto jeder PV-Anlage sammeln sich so jedes Jahr mehrere Stunden oder Tage an. Am Ende wird die Förderdauer für jede Anlage individuell sein und zumeist 20 Jahre sowie einige Wochen oder Monate betragen.
Diese Regelung gilt indes nur für Neuanlagen. Für Bestandsanlagen, die sich bereits in der Einspeisevergütung befinden, gilt das nicht. Diese haben jedoch nach § 100 Abs. 47 EEG die Möglichkeit, in den Anwendungsbereich des neuen § 51 EEG zu wechseln. Als Anreiz hierfür erhöht sich die Einspeisevergütung in Zeiten positiver Strompreise um einen Bonus von 0,6 ct/kWh.
Nicht betroffen von dieser Regelung sind PV-Anlagen mit weniger als 100 kW Leistung, die noch nicht über ein Smart-Meter, also ein intelligentes Messsystem, verfügen, sowie sogenannte Balkonkraftwerke mit weniger als 2 kW Leistung.
In Zeiten von negativen Strompreisen droht allerdings nicht nur eine Verteuerung der EEG-Förderung, zugleich ist auch die Netzstabilität bedroht. Denn das Stromnetz muss zu jeder Zeit ausgeglichen sein. Die Stromeinspeisung und Stromentnahme müssen stets im Gleichgewicht sein, um die Netzspannung stabil zu halten. Sofern also die Stromerzeugung zu hoch ist, müssen EE-Anlagen heruntergeregelt werden.
Um Vorsorge für diese Spitzen zu treffen, hat der Gesetzgeber entschieden, dass neue EE-Anlagen besser heruntergeregelt werden können müssen. Nach § 91 Nummer 2 EEG können Übertragungsnetzbetreiber zukünftig verpflichtet werden, Anlagen bei negativen Preisen abzuregeln. Zudem kann dies künftig schon ab der ersten Viertelstunde mit negativen Preisen angeordnet werden. Hierfür erforderlich ist eine fernsteuerbare Abschalteinrichtung, über die bereits z.B. ca. 60% der PV-Anlagen verfügen.
Sowohl große Energiespeicheranlagen als auch private Batteriespeicher sollen nun durch die Reform Netzstrom zwischenspeichern können. Das bedeutet, dass nicht nur Strom aus der eigenen PV-Anlage gespeichert werden kann, sondern auch Strom aus dem Netz aufgenommen wird, wenn er günstig ist, um ihn später bei hohen Preisen wieder ins Netz einzuspeisen. Dies birgt ein hohes Potenzial zur Flexibilisierung und Stabilisierung des Stromnetzes.
Hierfür sind in § 19 Abs. 3 EEG Nachbesserungen für eine flexiblere Nutzung von Stromspeichern enthalten. Künftig können diese zum Zwischenspeichern von Netzstrom genutzt und damit netz- und systemdienlicher betrieben werden. Für PV-Heimspeicher gibt es eine Pauschaloption und für größere Speicher eine Abgrenzungsoption, sodass förderfähige Solarstrommengen im Speicher von nicht förderfähigem Graustrom aus dem Netz abgrenzbar sind. Anlagenbetreiber können nun den Speicher laden, wenn der Strompreis niedrig ist, und ihn wieder entladen, wenn der Strompreis hoch ist.
Damit diese Möglichkeit effizient genutzt werden kann, sind Smart-Meter und dynamische Tarife erforderlich. Diese stellen eine Grundvoraussetzung dar, um das Speichern von Netzstrom sinnvoll zu nutzen. Zu der Beschleunigung des Smart-Meter-Rollouts daher wie folgt:
Die Installation intelligenter Messsysteme und Steuerungstechnik (sog. Smart Meter mit Gateways) soll durch Änderungen des MsbG, des EnWG und des EEG beschleunigt werden, um durch die Steuerung der Anlagen verhindern zu können, dass das Stromnetz überlastet wird. Da die Umstellung eine gewisse Zeit benötigt, werden durch die Gesetzesänderung nun bestimmte Gruppen beim Einbau von Smart Metern priorisiert. Diese Priorisierung bevorzugt Haushalte mit einem Verbrauch von über 6.000 kWh/Jahr sowie Betreiber von EE-Anlagen mit mehr als 7kW (also bereits Privathaushalte).
Erzeugungsanlagen ab einer Leistung von 7 kW sollen gem. § 29 MsbG nicht nur mit intelligenten Messystemen, sondern verpflichtend auch mit Steuereinrichtungen ausgestattet werden. Dementsprechend müssen Anlagen, die ihren Strom im Rahmen der Einspeisevergütung oder dem Mieterstrom vermarkten (also Anlagen von mehr als 2 kW und weniger als 100 kW), bis zur Herstellung der Steuerbarkeit über intelligente Messsysteme ihre Einspeiseleistung auf 60% begrenzen (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 EEG).
Mit dem Solarspitzen-Gesetz werden wichtige Weichen gestellt, um das deutsche Stromnetz zu flexibilisieren und dadurch zu stabilisieren. Gerade Betreiber von EE-Anlagen mit angeschlossenen Batteriespeichern sowie für Privathaushalte mit Batteriespeichern können dafür sorgen, dass sowohl auf der Nachfrageseite (Strombezug mit dynamischen Tarifen) als auch auf der Angebotsseite (preisoptimierte Einspeicherung und Einspeisung) mehr Flexibilität entsteht. Zugleich bietet das Gesetz auch für Privathaushalte und EE-Anlagen mit Batteriespeichern die Chance, am Stromhandel zu profitieren, indem Strom zu Zeiten negativer oder niedriger Strompreise aus dem Netz gespeichert und zu Zeiten hoher Strompreise verkauft wird.
Damit das Solarspitzen-Gesetz seine volle Wirkung entfalten kann, ist eine flächendeckende Einführung von Smart-Metern sowie dynamischen Stromtarifen erforderlich. Es ist jedoch richtig, mit dem gesetzlichen Rahmen für die Flexibilisierung nicht zu warten, bis alle Anlagen und Haushalte über Smart-Meter und dynamischen Tarifen verfügen, sondern diesen jetzt vorzuziehen, damit Schritt für Schritt Eigentümer von PV-Anlagen und Batteriespeichern profitieren können.
Zugleich ist bereits absehbar, dass nunmehr unsicheren EEG-Förderzeiträume (20 Jahre + X) zu einer Berücksichtigung bei Flächensicherungsverträgen führen können, deren Laufzeit regelmäßig an den EEG-Förderzeitraum geknüpft ist. Das genaue Ende des EEG-Förderzeitraums ist zukünftig allerdings erst sehr kurzfristig absehbar, wenn die Zeiten negativer Strompreise hinzuaddiert werden. Hier sind Verträge entsprechend mit Kündigungsrechten und flexiblen Verlängerungen zu versehen, um das abzubilden.
Authors:
Bernhard Gröhe, Friedrich Gebert