Compliance

OLG Urteil konkretisiert Compliance Pflichten

28. February 2023

 

OLG Urteil konkretisiert Compliance Pflichten: Geschäftsführer haben Sorgfaltspflicht zu angemessenem Compliance Management – und haften dafür!

Das OLG Nürnberg hat sich in seinem Urteil vom 30. März 2022 zu der Frage geäußert, ob und inwieweit Geschäftsführer einer GmbH für die Einrichtung und Überwachung eines angemessenen Compliance Management Systems Sorge tragen müssen. Das Urteil fiel deutlich aus:

„Aus der Legalitätspflicht folgt die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Einrichtung eines Compliance Management Systems, also zu organisatorischen Vorkehrungen, die die Begehung von Rechtsverstößen durch die Gesellschaft oder deren Mitarbeiter verhindern.”

Das Urteil

In seinem Urteil vom 30. März 2022 (Az. 12 U 1520/19) über eine zivilrechtliche Schadensersatzklage einer Kommanditgesellschaft gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sprach das OLG Nürnberg der Klägerin einen hohen sechsstelligen Anspruch auf Schadensersatz wegen (Sorgfalts-)Pflichtverletzung bei der Geschäftsführung zu.

Hintergrund

Bei der Klägerin, einer im Mineralölhandel tätigen Kommanditgesellschaft, war es durch einen untreuen Mitarbeiter zu dem beträchtlichen Schaden gekommen. Der Prokurist hatte seine Befugnis zur Anlage und Verwaltung von Kunden in der internen Tank-Abrechnungssoftware missbraucht. Durch eine Manipulation ermöglichte er für mehrere Kunden eine Betankung über das jeweils eingeräumte Kreditlimit hinaus. Angemessene Compliance Maßnahmen der Geschäftsführung, wie die Einrichtung eines 4-Augen-Prinzips, hätten dies nach der Überzeugung des Gerichts verhindern können. Die Forderungen der Klägerin aus der Lieferung der Kraftstoffe fielen später wegen Insolvenz der betreffenden Kunden aus.

Entscheidungsgründe

Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist § 43 Abs. 2 GmbHG. Danach haften Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten zur sorgfältigen Geschäftsführung (Sorgfaltspflicht, § 43 Abs. 1 GmbHG) verletzen, der Gesellschaft für den entstandenen Schaden.

Compliance Management als Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers

Zur Sorgfalt bei der Geschäftsführung gehört es, eine interne Organisationsstruktur der Gesellschaft zu schaffen, die die Rechtmäßigkeit ihres Handelns gewährleistet (Legalitätspflicht).

Das OLG konkretisiert nun erstmals diesen allgemeinen Grundsatz für Geschäftsführer und formuliert einen konkreten Compliance Pflichtenkatalog für diese:

  • Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems

Aus der Legalitätspflicht folgt die „Verpflichtung des Geschäftsführers zur Einrichtung eines Compliance Management Systems, also zu organisatorischen Vorkehrungen, die die Begehung von Rechtsverstößen durch die Gesellschaft oder deren Mitarbeiter verhindern“ (Unternehmensorganisationspflicht).

  • Plicht zur Überwachung und Reaktion

Der Geschäftsführer ist nicht nur verpflichtet, den Geschäftsgang so zu überwachen oder überwachen zu lassen, dass er unter normalen Umständen mit einer ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann; „er muss vielmehr weitergehend sofort eingreifen, wenn sich Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten zeigen“.

  • Pflicht zur Kontrolle

Zur Überwachungspflicht gehört eine hinreichende Kontrolle, die präventiv erfolgen muss und „nicht erst dann einsetzen darf, wenn Missstände entdeckt worden sind“.

Eine strukturelle präventive Kontrolle, etwa mittels Vier-Augen-Prinzip, sollte für alle kritischen internen Unternehmensprozesse eingerichtet werden. Kritisch sind Prozesse immer dann, „wenn sie bei einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung Personenschäden oder erhebliche finanzielle Auswirkungen zur Folge haben können“.

Über diese allgemeine Kontrolle hinaus muss der Geschäftsführer seine Aufsicht so führen, dass Unregelmäßigkeiten auch ohne ständige unmittelbare Überwachung grundsätzlich unterbleiben. Danach sind „stichprobenartige, überraschende Prüfungen erforderlich und regelmäßig auch ausreichend, sofern sie den Unternehmensangehörigen vor Augen halten, dass Verstöße entdeckt und geahndet werden können“.

  • Pflichten bei Delegation, Oberaufsicht

Bei der Delegation einzelner Aufgaben reduziert sich die Überwachungspflicht des Geschäftsführers auf die ihm unmittelbar unterstellten Mitarbeiter und deren Führungs- und Überwachungsverhalten („Überwachung der Überwacher„), sorgfältige Auswahl und Überwachung der Aufsichtspersonen sind ein Teil davon.

Auch bei mehrstufiger Verteilung der Aufsichtspflichten verbleibt die sogenannte Oberaufsicht als unübertragbare Kernpflicht beim Geschäftsführer. Dazu gehört „insbesondere die Organisations- und Systemverantwortung für die unternehmensinternen Delegationsprozesse“.

Wird die Einrichtung solcher Compliance-Strukturen unterlassen, liegt eine Pflichtverletzung bei der Geschäftsführung vor, die im Falle kausaler Schäden eine Haftung des Geschäftsführers begründet.

Fazit

Mit dem OLG Nürnberg hat sich erstmals ein Obergericht detailliert zu den unternehmerischen Compliance-Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers geäußert und dabei einen umfassenden Anforderungskatalog definiert. Eine zusätzliche Schwelle, etwa eine bestimmte Unternehmensgröße oder -branche, gibt es dabei nicht. Systematisches Compliance Management mittels eines Compliance Management Systems (CMS) ist demzufolge für jedes Unternehmen als wesentlicher Bestandteil der Geschäftsführungspflichten anzusehen.

Autorin: Sina Janke

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