Das europäische Lieferkettengesetz kommt
Das europäische Lieferkettengesetz kommt
26. Januar 2024
Im Rahmen des EU Green Deal hat sich die Kommission vorgenommen, die gesamte EU auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Dabei nimmt sie nun auch die Wertschöpfungsketten der Unternehmen ins Visier. Nachdem bereits Deutschland mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) vorangeschritten ist, haben sich der Europäische Rat und das Europäische Parlament am 14.12.2023 vorläufig über das europäische „Lieferkettengesetz“, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive („CSDDD“) geeinigt. Die Richtlinie dient dazu, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in der Wertschöpfungskette zu identifizieren sowie durch entsprechende Maßnahmen zu minimieren. Es handelt sich hierbei um eine politische Einigung, die noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen muss. Die wesentlichen Inhalte und Pflichten stehen aber nun fest, sodass sich Unternehmen bereits ab jetzt frühzeitig auf die CSDDD vorbereiten sollten?
Wie bereits erwartet ist die CSDDD wesentlich strenger als das LkSG, sie wird also Anwendungsbereichs und Sorgfaltspflichten deutlich ausweiten. In Teil 1 unserer Blogreihe zur CSDDD geben wir daher einen Überblick über den Anwendungsbereich der CSDDD und die Unterschiede zum LkSG.
Insbesondere über den persönlichen Anwendungsbereich haben sich Kommission, Parlament und Rat jahrelang gestritten. Die Einigung sieht nun vor, dass die CSDDD für folgende Unternehmen gilt:
- EU-Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von über 150 Mio. EUR (Art. 2 Abs. 1 lit. a CSDDD-E);
- EU-Unternehmen aus bestimmten „Risikobranchen“ (Mode, Ernährung/Landwirtschaft sowie Bergbau/Rohstoffabbau) mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von über 40 Millionen Euro (Art. 2 Abs. 1 lit. b CSDDD-E);
- Nicht-EU-Unternehmen, die die oben genannten Schwellenwerte erfüllen und ihren Umsatz in der EU erzielen. Die EU-Kommission wird hierzu rechtzeitig eine Liste der betroffenen Unternehmen veröffentlichen (Art. 2 Abs. 2 lit. a und b CSDDD-E);
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fallen nicht in den Anwendungsbereich der CSDDD (Erwägungsgrund 47). Sie dürften aber als Zulieferer indirekt betroffen sein, da mit einer Weitergabe der Pflichten in den entsprechenden Geschäftsbeziehungen zu rechnen ist. Auch der Finanzsektor (Kreditinstitute, Investmentfonds, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds) wird vorübergehend vom Anwendungsbereich der CSDDD ausgenommen (Erwägungsgrund 22).
Auch wenn das LkSG nur auf die Anzahl der Beschäftigten und nicht zusätzlich auf den Nettoumsatz abstellt, betrifft es nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern, unabhängig von ihrer Branche (§ 1 Abs. 1 Satz 3 LkSG). Die CSDDD wird also den persönlichen Anwendungsbereich stark erweitern.
Der sachliche Anwendungsbereich des LkSG lässt sich in zwei Teile untergliedern: Den „räumlichen“ Anwendungsbereich (eigener Geschäftsbereich, direkte Zulieferer, indirekte Zulieferer) und den inhaltlichen Anwendungsbereich (Menschenrechte, Umweltrisiken, Klimaschutz).
Hinsichtlich des „räumlichen“ Anwendungsbereichs ist zunächst festzuhalten, dass sich entgegen dem umgangssprachlichen Begriff „Lieferkettenrichtlinie“ die CSDDD bereits auf die Sorgfaltspflichten im eigenen Geschäftsbereich (Art. 6 Abs. 1, 7, 8 CSDDD-E), einschließlich der Tochterunternehmen (Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 lit. d CSDDD-E) erstreckt. Darüber hinaus sind Unternehmen nicht nur für direkte Geschäftspartner, sondern auch für indirekte Geschäftspartner sorgfaltspflichtig, zu denen eine „etablierte Geschäftsbeziehung“ besteht (Art. 6 Abs. 1 CSDDD-E). Die CSDDD nimmt schließlich nicht nur die Lieferkette bis hin zum Unternehmen selbst in den Blick, sondern die gesamte Wertschöpfungskette, sowohl „Upstream“ als auch „Downstream“. „Upstream“ bedeutet dabei die vorgelagerte Wertschöpfungskette, vom Rohstoffabbau anfangend. Unter „Downstream“ ist die nachgelagerte Wertschöpfungskette zu verstehen, einschließlich Verkauf, Transport und Abfallentsorgung (Art. 3 lit. g CSDDD-E).
Indem die Sorgfaltspflichtenanders als das LkSG der CSDDD die gesamte Wertschöpfungskette erfassen, werden die Anforderungen an die Unternehmen für die Risikoanalyse und Umsetzung der Sorgfaltspflichten daher maßgeblich erhöht.
Der inhaltliche Anwendungsbereich der CSDDD lässt sich ebenfalls in drei Teilbereiche gliedern: Dem Schutz der Menschenrechte, der Umwelt und des Klimas. Dabei bezieht sich die CSDDD konkret auf eine Reihe von gefestigten Verpflichtungen zu Menschenrechten und Umweltschutz in internationalen Abkommen (Anhang I und Anhang II CSDDD-E).
- Menschenrechte
Im Grundsatz sind die Schutzbereiche nach CSDDD und LkSG sehr vergleichbar. Sowohl das LkSG als auch die CSDDD legen Unternehmen Sorgfaltspflichten hinsichtlich des Verbots von Kinderarbeit und Zwangsarbeit sowie zur Verhinderung von Ungleichbehandlung oder dem Vorenthalten eines angemessenen Lohns vor. Beide zielen zudem auf die Verhinderung schädlicher Bodenveränderungen, Gewässerverunreinigungen, und Luftverunreinigungen sowie Zwangsumsiedlungen. Die CSDDD erweitert den Katalog der Menschenrechte zudem und erfasst auch das Recht der Freiheit und Sicherheit, das Verbot willkürlicher oder unrechtmäßiger Eingriffe in die Privatsphäre, Familie, Wohnung oder Korrespondenz, das Verbot der Beeinträchtigung der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, sowie den Zugang von Arbeitnehmern zu einer angemessenen Unterbringung. - Umweltschutz
Die nach der CSDDD maßgeblichen umweltbezogenen Risiken decken sich nur teilweise mit den umweltbezogenen Risiken des LkSG nach § 2 Abs. 3 LkSG. Sowohl die CSDDD als auch das LkSG verweisen bei umweltrechtlichen Risiken auf das Minamata Übereinkommen (Verbot der Verarbeitung von Quecksilber), die POP-Konvention (Verbot bestimmter organischer Schadstoffe) sowie das Basler Übereinkommen (Verbot der Ein- und Ausfuhr gefährlicher Abfälle). Darüber hinaus dient die CSDD aber auch dem Schutz der biologischen Vielfalt und bedrohter Arten, dem Verbot der Ein- und Ausfuhr gefährdeter Tiere und erfasst die Einfuhr von Chemikalien und geregelter Stoffe sowie die Verschmutzung durch Schiffe. Unternehmen sind zudem verpflichtet, negative Auswirkungen auf das Kultur- und Naturerbe, auf Feuchtgebiete und die Meeresumwelt zu dokumentieren und zu unterlassen. - Klimaschutz
Neben Menschenrechts- und Umweltschutz ist die Bekämpfung des Klimawandels die „dritte Säule“ der CSDDD. Gemäß Art. 15 CSDDD-E haben die Unternehmen einen Plan zu entwickeln, um die Vereinbarkeit ihres Geschäftsmodells und ihrer Strategie mit dem 1,5°C-Ziel zu gewährleisten. Im LkSG ist der Klimaschutz hingegen kein Schutzgut.
Auch der inhaltliche Anwendungsbereich geht somit deutlich über den des LkSG hinaus. Die CSDDD erweitert den Katalog der geschützten Umwelt- und Menschenrechte und nimmt zusätzlich den Klimaschutz auf.
Es zeigt sich, dass die CSDDD in sämtlichen Bereichen deutlich strengere Vorgaben als das deutsche LkSG macht. Viele Unternehmen, die bislang nicht vom LkSG betroffen sind, werden unter die CSDDD fallen. Und viele Unternehmen, die bislang vom LkSG betroffen sind, werden deutlich mehr Sorgfaltspflichten zu erfüllen haben. Daher sollten sich Unternehmen sämtlicher Größe frühzeitig mit der neuen CSDDD beschäftigen, um genug Vorlaufzeit zu haben, die neuen Sorgfaltspflichten einzuführen.
Autoren:
Dr. Friedrich Gebert und Dr. Bernhard Gröhe
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