Entgelttransparenz und Equal Pay
Entgelttransparenz und Equal Pay
14. May 2024
Frauen werden nach wie vor statistisch schlechter bezahlt als Männer, ein Kernproblem der sozialen Nachhaltigkeit im Unternehmen. Der Gender Pay Gap in Deutschland liegt seit Jahren hartnäckig bei 18 % (Durchschnittsverdienst allgemein, sog. „unbereinigter“ Pay Gap) und bei 6 % für vergleichbare Tätigkeiten und Biographien (sog. „bereinigter“ Pay Gap). Gegen diese geschlechtsspezifische Entgeltbenachteiligung wendet sich das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) mit einem rechtlichen Rahmen für die Förderung der Entgeltgleichheit
Seit dem Inkrafttreten des EntgTranspG im Jahr 2017 ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit die Entgeltgleichheit subjektives Recht. Vereinbarungen, die gegen das Gebot verstoßen, sind unwirksam. Beschäftigte sind durch ein Maßregelungsverbot vor Nachteilen wegen der Inanspruchnahme von Rechten geschützt. Eine zusätzliche Verschärfung des Gesetzes steht in Umsetzung einer im Jahr 2023 in Kraft getretenen Richtlinie bis Juni 2026 an und dürfte dem Gesetz künftig zu größerer Bedeutung verhelfen.
In seiner aktuell geltenden Fassung sieht das EntgTranspG drei Instrumente vor, die der Durchsetzung der Entgeltgleichheit dienen sollen.
- Individueller Auskunftsanspruch
In Betrieben mit regelmäßig mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber können Beschäftigte Auskunft über Verfahren und Kriterien der Entgeltfindung für das eigene Entgelt und das Entgelt der Vergleichstätigkeit und den statistischen Median des durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts und höchstens zweier weiterer Entgeltsbestandteile der Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts verlangen, die die Vergleichstätigkeit in demselben Betrieb bei demselben Arbeitgeber ausüben. Ansprechpartner ist grundsätzlich der Betriebsrat. Die nur auf tariffreie Arbeitgeber anwendbare Frist für die Erteilung der Auskunft beträgt drei Monate. Ergibt die erteilte Auskunft, dass das gezahlte Entgelt geringer ist als das mitgeteilte Vergleichsentgelt, führt dies zu einer Umkehr der Beweislast, wie unten näher erläutert. - Betriebliches Prüfverfahren
Private Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten sind aufgefordert (nicht verpflichtet), die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots zu überprüfen. Dabei sind sie in der Wahl des Prüfverfahrens frei, vorgegeben ist nur die Einteilung in drei Phasen (Bestandsaufnahme, Analyse und Ergebnisbericht). Beispiele für Verfahren und Hilfestellungen für die Prüfung finden sich im Entgelt-Check (eg-check) der Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder auch im ILO-Leitfaden zur Entgeltgleichheit. Führt der Arbeitgeber ein betriebliches Prüfverfahren durch, sind die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Ergibt die Prüfung geschlechtsspezifische Benachteiligungen beim Entgelt, sind geeignete Maßnahmen zur Beseitigung zu ergreifen.
- Berichtspflicht für lageberichtspflichtige Arbeitgeber
Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, die nach den Vorschriften des HGB lageberichtspflichtig sind, unterliegen einer Berichtspflicht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit. Der Bericht hat die Maßnahmen des Arbeitgebers zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Wirkungen und zur Förderung der Entgeltgleichheit darzustellen. Werden keine Maßnahmen ergriffen, ist dies zu begründen. Die Berichtspflicht umfasst außerdem nach Geschlecht aufgeschlüsselte Angaben zur Gesamtzahl der Beschäftigten und zur Anzahl der Voll- und Teilzeitbeschäftigten. Der Turnus beträgt für tarifgebundene/tarifanwendende Arbeitgeber fünf, für andere Arbeitgeber drei Jahre.
(BAG, Urt. v. 21.1.2021 – 8 AZR 488/19)
Während Prüfverfahren und Berichtspflichten in der arbeitsrechtlichen Praxis bislang keine überragend große Rolle spielen, hat das Bundesarbeitsgericht durch eine Entscheidung aus dem Jahr 2021 der Auskunft nach dem EntgTranspG besondere Bedeutung verliehen.
Geklagt hatte eine Abteilungsleiterin, nachdem eine von ihr beantragte Auskunft ergeben hatte, dass das Vergleichsentgelt männlicher Abteilungsleiter höher war als ihre eigene Vergütung. Ihre Klage war auf Zahlung der Vergütungsdifferenz und Feststellung der künftigen Verpflichtung zur Zahlung des an männliche Kollegen geleisteten Entgelts gerichtet.
In der Entscheidung über die Revision stellte das BAG zunächst den Grundsatz auf, eine Klage auf gleiches Entgelt könne sowohl auf Art 157 AEUV, der direkt anwendbar sei, als auch auf § 3 Abs. 1 und/oder § 7 EntgTranspG gestützt werden. Im Rahmen einer solchen Klage begründe der Umstand, dass das Arbeitsentgelt der klagenden Arbeitnehmerin geringer sei als das vom Arbeitgeber mitgeteilte Vergleichsentgelt der männlichen Vergleichspersonen, regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, die Benachteiligung sei wegen des Geschlechts erfolgt. Die auch im Rechtstreit um gleiches Entgelt anwendbare Vorschrift des § 22 AGG sehe im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Habe eine Partei Indizien bewiesen, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trage die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vorliege.
Damit bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die durch die erteilte Auskunft entstandene Vermutung zu widerlegen. Hierzu muss er allerdings objektive Gründe vortragen, die in keinem Zusammenhang mit dem Geschlecht stehen. Stützt er die Ungleichbehandlung auf Faktoren, die Frauen im Ergebnis stärker nachteilig betreffen als Männer und damit eine mittelbare Ungleichbehandlung darstellen, muss er zusätzlich belegen, dass diese Faktoren der Art der Arbeit geschuldet sind und einen Bezug zu den legitimen Bedürfnissen und Zielen des Unternehmens stehen. Unmittelbare Benachteiligungen lassen sich dagegen nicht rechtfertigen.
Neben der erteilten Auskunft über ein höheres Vergleichsentgelt der männlichen Vergleichspersonen führt übrigens auch eine nicht erteilte Auskunft zu einer Umkehr der Beweislast, wobei in einem solchen Fall auch der sonst erforderliche Nachweis der gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit und des geringeren Entgelts entfällt.
Die schon erwähnte EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz, die spätestens im Juni 2026 umzusetzen ist, wird die Regelungen zur Entgelttransparenz wie folgt ausweiten und verschärfen:
- Rechte von Bewerbern: Die Richtlinie sieht Informationspflichten zur Höhe des Gehalts für eine Stelle und zu anwendbaren tariflichen Regelungen vor. Umgekehrt verbietet die Richtlinie dem Arbeitgeber, nach der bisherigen Entgeltentwicklung von Bewerbern zu fragen.
- Ausweitung der Auskunftspflichten: Künftig sind alle Arbeitgeber – unaufgefordert – zur Angabe der Kriterien für die Bemessung des Entgelts und die Entgeltentwicklung verpflichtet, der Schwellenwert von 200 Beschäftigten entfällt.
- Erweiterte Auskunftsrechte: Die in der Richtlinie vorgesehenen Ansprüche der einzelnen Beschäftigten gehen inhaltlich über aktuelle Vorgaben hinaus und setzen unter anderem keine Textform und keine Angabe einer Vergleichstätigkeit mehr voraus, und sind innerhalb kürzerer Frist durch den Arbeitgeber zu erfüllen. Verschwiegenheitsklauseln werden verboten.
- Zahlreiche zusätzliche Verschärfungen, wie beispielsweise Berichtspflichten bereits ab mehr als 100 Arbeitnehmern, Entfall der Tarifprivilegierung, Anspruch auf „vollständigen“ Schadensersatz ohne festgelegte Obergrenze und im Gesetz zu verankernde Sanktionen für Verstöße.
Die durch die Richtlinie erforderlich werdende Überarbeitung des EntgTranspG wird dem Thema Entgeltgleichheit neue Bedeutung verleihen und Arbeitgeber dabei vor größere Herausforderungen stellen. Auch für Unternehmen, die bislang wenig Berührung mit Entgelttransparenz erlebt haben, werden gesetzliche Vorgaben zur Herstellung von Entgeltgerechtigkeit künftig das S in ESG wesentlich mit prägen.
Autorin:
Donata Lasson
MAKE BUSINESS POSITIVE
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