Nachhaltige Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung
Nachhaltige Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung
11. June 2024
Spätestens seit der EU-Richtlinie über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV-II-Richtlinie) bzw. deren Umsetzung im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), wonach Pensionskassen und Pensionsfonds grundsätzlich Nachhaltigkeitsbelange beachten müssen, halten die ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) Einzug in die betriebliche Altersversorgung (bAV) und werden immer mehr zum neuen Compliance-Marktstandard.
Die besonderen Anforderungen an die bAV ergeben sich aus einer Kombination zwingender gesetzlicher Vorgaben (Hard Law) mit dem rechtlich nicht bindenden Soft Law. Anhand der öffentlichen Diskussion um die Gender Pension Pay Gap und die Teilzeitfalle wird deutlich, dass insbesondere Gleichberechtigung und Diversity-Anforderungen auch im Bereich der bAV vom Markt gefordert werden. Diese ist zum Teil in zwingenden gesetzlichen Vorgaben verankert. Zu einem wesentlichen Teil stammen die Anforderungen aber auch aus der rechtlich unverbindlichen, aber konkreten Erwartungshaltung der Stakeholder auf Basis internationaler Standards. Gefördert wird dies auch durch die Selbstregulierung der Unternehmen, insbesondere im Rahmen ihrer Compliance-Programme.
Diese Aspekte betreffen nicht nur große Unternehmen, die bereits mit einer umfassenden Nachhaltigkeitsregulierung vertraut sind. Oftmals geben die großen Unternehmen ihre Verpflichtungen umstandslos an ihre kleineren Geschäftspartner weiter, sodass kleine und mittlere Unternehmen ebenfalls von der Nachhaltigkeitsregulierung betroffen sind. Diese mittelbare Wirkung betrifft zuweilen auch die bAV.
Insgesamt entsteht zunehmend Druck auf die Arbeitgeber, die bAV unter Berücksichtigung der ESG-Kriterien zu gestalten. Eine Umsetzung ist nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern trägt insgesamt zu einer nachhaltigeren, inklusiven und diversen Arbeitswelt bei.
Die europäische Corporate Sustainability Reporting Directive (Richtlinie (EU) 2022/2464 – „CSRD“), welche bis zum 6. Juli 2024 in nationales Recht umzusetzen ist, etabliert eine Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, welche ab 2024 für große Unternehmen sukzessive umzusetzen ist.
Durch die EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (Richtlinie (EU) 2019/1937 – „CSDDD“) werden große Unternehmen zudem dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf Menschen und die Umwelt in ihren Wertschöpfungsketten zu ermitteln, zu vermeiden und zu beheben.
Außerdem bestehen verschiedene Soft Law-Anforderungen, wie UN Global Compact und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
Allein durch die erwähnten Verpflichtungen der großen Unternehmen, welche diese wiederum in B2B-Verträgen versuchen, auf kleinere Unternehmen zu übertragen, lange bevor die EU-Taxonomie-Verordnung oder andere ESG-Regularien auf die kleinen Unternehmen Anwendung finden, kommt die Pflicht zur Einhaltung von ESG-Kriterien in der breiten Masse an.
Diese Verpflichtungen beeinflussen auch die bAV, und zwar nicht nur für die von der Regulierung direkt betroffenen Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV). Für Arbeitgeber mit Direktzusagen sind die ESG-Kriterien ein relevanter Prüffilter, etwa um ihre DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion) auch in der bAV umzusetzen.
Folglich müssen Fragen zur Ausgestaltung der bAV zukünftig auch die ESG-Kriterien, insbesondere solche der die Arbeitnehmer und Pensionäre betreffenden sozialen Nachhaltigkeit, berücksichtigen. In der Praxis können bei den Arbeitgebern insbesondere folgende Fragestellungen auftreten:
- Wie inklusiv ist meine angebotene bAV ausgestaltet?
- Wie sehr kompensiere ich als Arbeitgeber das bestehende Gender Pay Gap in der bAV?
- Wie kann ich die Minderung des Elterngeldes im Falle von Entgeltumwandlung ausgleichen? (Diese Frage wird relevant, da die steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltumwandlung die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld mindert.)
- Wie kann ich die Nachteile ausgleichen, die durch Teilzeitarbeit in der bAV entstehen?
Mit Urteil vom 20. Juni 2023 (Az. 3 AZR 221/22) bestätigte das BAG die Kürzung von Betriebsrentenleistungen aufgrund von Teilzeitarbeit erneut. Dies stellt einen Rückschlag für die in Teilzeit arbeitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar (Teilzeitfalle).
Um diese Teilzeitfalle zukünftig zu vermeiden, kommt den Arbeitgebern die Aufgabe zu, ihre Versorgungszusagen (nicht nur zugunsten Teilzeitbeschäftigter) angesichts der geltenden ESG-Kriterien fairer zu gestalten.
Insbesondere können Lösungen gefunden werden, die den Beschäftigungsgrad von Teilzeitkräften berücksichtigen, sodass vollständige Erwerbsbiografien durch den Teilzeitquotienten in die Rentenhöhe einfließen. Einige Arbeitgeber haben bereits positive Schritte unternommen, um die Nachteile von Teilzeitarbeit (insbesondere bei Frauen) auszugleichen, indem etwa Abwesenheitszeiten wie Elternzeit in ihren Versorgungsordnungen wertbildend berücksichtigt werden.
Dieser Ansatz ist nicht nur aus personalpolitischer Sicht begrüßenswert, sondern erfüllt auch die wachsenden Forderungen an Unternehmen, eine bAV anzubieten, die den Anforderungen von ESG und Diversity, Equity und Inclusion gerecht wird. Aufgrund des hohen Anteils von Frauen unter den Teilzeitbeschäftigten sind diese besonders von einer dauerhaft reduzierten Vergütung und folglich geringeren Betriebsrentenansprüchen betroffen.
Autorin:
Anja Mehrtens
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